Vom Kapp-Putsch 1920, der Märzrevolution der Arbeiterinnenklasse und der blutigen Repression des Militärs und der Freikorps erzählt die Gruppe Grenzgänger & Frank Baier in ihren Liedern auf der neuen CD „1920“ – Lieder der Märzrevolution.
Es war der 13. März 1920, als eine Clique von Militärs, Freikorps und reaktionären Politikern unter Führung des ostpreußischen Geheimrats Wolfgang Kapp gegen die Regierung putschte Er setzte in Berlin die sozialdemokratische Regierung ohne Widerstand ab. Gestützt auf dein Terror von Militär und Freikorps wurde eine Militärdiktatur errichtet. Es waren diejenigen, die ihre vorübergehende Niederlage durch die Novemberrevolution 1919 nicht vergessen konnten. Es waren die gleichen Truppen, die die Revolution und die Münchner Räterepublik im Blut erstickten.
Die Gruppe Grenzgänger & Frank Baier bringen es in einem Lied auf den Punkt:
„Es war 1920 – es war März in diesem Land:
Da marschierte nach Berlin
in geschlossenem Verband
Die Brigade Erhardt – überall bekannt
Schon damals mit dem Hakenkreuz
und schwarz weiß rotem Band
Bald war das ganze Land im Kriegszustand
Und die deutsche Armee sah dabei zu vom Rand
Das war alles gut geplant – und zwar von langer Hand
Von Bankier, Fabrikant, General, Major, Leutnant
Es gab keinen Widerstand, nirgendwo ein Demonstrant
die Regierung übermannt, sozusagen überrannt
sorgte sich ganz eklatant um ihren Fortbestand
floh dann kurzerhand
nach Stuttgart in das Schwabenland
(1920 – Text: M. Zachcial)
Dennoch wurden ini ganzen Land Streiks und Widerstandsaktionen organisiert. Der Generalstreik gegen die Putscinsten weitete sich täglich aus. Das Zentrum des aktiven Widerstandsder Bevölkerung war das Ruhrgebiet. Hier wurde die „Rote Ruhrarmee“ aufgestellt. Sie befreite in kurzer Zeit einige Städte von den reaktionären Putschisten. Doch offensive Kämpfe für eine Arbeiterregierung blieben leider auf wenige Regionen beschränkt. Ende März waren die Putschisten vertrieben, die alte Regierung setzte sich wieder selbst ein und begann, gemeinsam mit den Putschisten an dem Widerstand der Arbeiterinnen und Arbeiter Rache zu üben. Die blutige Repression gegen die Menschen, die Widerstand gegen den reaktionären Putsch geleistet hatten, ob mit der Waffe oder nur als Sanitäterin, begann Ende März. Viele wurden ermordet. Die Losung der Putschisten war „Mit den Roten wird nicht verhandelt!“.
Mit dem Mord an rund 1.000 Menschen und Tausenden Verhaftungen, mit Gefängnis und Zuchthaus ging eine Widerstandsbewegung zu Ende, die noch verhindert hatte, was 1933 nicht verhindert wurde. Diese massenweise Repression machte die Notwendigkeit einer breiten Hilfs- und Solidaritätsbewegung für die Verfolgten und Inhaftierten und ihre Familien sichtbar. Die Knaste waren voll. In dieser Zeit begannen die ersten Gruppen, die Hilfs- und Solidaritätsarbeit zu organisieren. Denn nicht nur das Militär verfolgte die Kämpfer und Kämpferinnen der Märzrevolution. Auch die Justiz verhängte in Schnellverfahren Freiheitsstrafen, die sich fast auf 2000 Jahre summierten. Als Delikt genügte bereits, dass Frauen sich um die Versorgung der Verwundeten gekümmert hatten. Geld und juristische Hilfe waren notig.
Die Kämpfe der Märzrevolution gegen den Kapp. Putsch von 1920 sind eine der Wurzeln der Roten Hilfe in Deutschland. Diese Zeit hat wie viele andere historische Kämpfe der Arbeiterinnenbewegung im bundesdeutschen Geschichtsbild keinen Platz. Peter Möbius ( Bruder von Rio Reiser) schrieb 1980 anlässlich des Theaterstücks „Märzstürme“:
„Es gibt viele Arten, einen Menschen unfrei zu machen und zu halten. Eine davon ist, seine Erinnerung auszulöschen. Es geht um die Wurzeln. Dass nicht nur Bäume Wurzeln haben, dass die Gegenwart, so wie sie ist, nicht jeden Tag aufs Neue ausgewürfelt wird, sondern gewachsen ist aus der Vergangenheit, weiß jeder.“
Diese CD ist eine Produktion, die jede und jeden einen Schritt weiterbringt. Denn die Gruppe Grenzgänger & Frank Baier aktualisiert die Formen und Inhalte einer traditionellen Arbeiterkultur. Auch sind sie weit entfernt von der üblichen Revolutionsromantik der militanten Kämpfe der Arbeiterinnenbewegung. Neben eigenen Texten werden bekannte und unbekannte in den Liedern verarbeitet. Auch Erich Mühsam und Rio Reiser kommen zu Wort.
Ein informatives Booklet bringt Licht in die Geschichte des heute unbekannten Widerstandes gegen den Kapp-Putsch 1920. Die Autoren der Texte und die Musiker erzählen hier auch ihre Geschichte. „Seit fast zwei Jahren führen wir „1920“ auf. Es ist anders als sonst bei Produktionen, wo erst die CD da ist und dann die Auttritte folgen. Dadurch konnten wir vieles ausprobieren“ (Frank Baier).
Elke, Die Rote Hilfe, 3/2006