Das Publikum hielt es immer wieder kaum auf den Stühlen
Schwere Kost und super Musik „ Von Peter Körtling HAMM
Einen Liederabend voller emotionaler Kontraste und hervorragender Musik präsentierten „Die Grenzgänger“ am Donnerstagabend im Rahmen des Literarischen Herbstes. Rund 70 Zuschauer erlebten die Veranstaltung unter dem Titel „1914 – Maikäfer flieg“ mit Liedern aus der Zeit des Ersten Weltkriegs im Kulturbahnhof.
„Leute machen Lieder, um mit den herrschenden Verhältnissen klarzukommen“, sagte Gitarrist und Sänger Mi- chael Zachcial. Wie sehr das stimmt, spiegelte sich in den Texten wieder, die oft auf be- kannte Melodien gedichtet waren: Das fatalistische „Wenn der Tod tanzt (Aspirin)“ auf Basis des Studentenschlagers „Krambambuli“ konnte nur aus einem Schüt- zengraben stammen. Das Lied „Hindenburg, der Russenschreck“ stamme, wie der Sänger beiläufig erklärte, mitsamt der dazugehörigen Tanzanleitung aus dem Schülerliederbuch „Jeder Schuss ein Russ“ vom Herbst 1914. Da blieben die Münder der Besucher staunend offen.
Die Gruppe hat mit 50 Helfern das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg durchsucht, mit ihren Entdeckungen das Programm zusammengestellt und alles musikalisch überarbeitet. Zachcial bot – gemeinsam mit Felix Kroll am Akkordeon, Annette Rettich am Violoncello und Frederic Drobnjak an der Gi tarre – ein Feuerwerk der Musikalität. Sie schafften es, die Texte auf ungewöhnliche Art zu unterstreichen: Der Stilmix aus Blues, Soul, Chanson, Swing und Folk verschiedener Strömungen ging direkt ins Blut und führte zum intellektuell-emotionalen Kontrast der besonderen Art: Die textlich schwere Kost konnte niemanden davon abhalten, rhythmisch mit der Musik mitzugehen.
Bei „Brot und Frieden hätt’ ich gern“, einer Soldaten-Parodie des Liedes „Gold und Silber lieb’ ich sehr“ zeigte Drobnjak, der als Musiker im Stil der Jazzlegende „Django“ Reinhardt angekündigt worden war, zum ersten Mal sein Können. Kroll legte gleich noch ein Akkordeon-Solo nach und das Publikum hielt es immer wieder kaum auf den Stühlen. Reihum begeisterten die Musiker mit Soli und immer wieder ernteten sie langen Applaus.
„Die Grenzgänger“ haben bereits viermal den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhalten, sind mit dem Album „Maikäfer flieg“ erneut nominiert und „Wenn der Tod tanzt (Aspirin)“ ist die Nummer Eins auf der Liederbestenliste – wer da war, der weiß auch, warum.
Mit freundlicher Genehmigung, Westfälischer Anzeiger )