Das Leben mit all seinen Irrungen
Hodenhagen. Richtig schummerig schön war´s am Samstagabend im Hodenhagener Brinkhaus: Das Kaminfeuer flackerte, draußen fegte der Wind ums Eck und poetische Verse und Lieder erklangen von der kleinen Kunstbühne. Das sympathische Künstlerduo „Zaches & Zinnober“ traf mit seinem Programm zielsicher den Nerv der Zuhörer: Kein lautes Kabarett zum Grölen, sondern viel mehr die leiseren Klänge der beiden waren es, die zum Schmunzeln und begeistertem Applaus hinrissen.
Auf die Suche nach. dem „Blutigen Ernst“ wollten sich Michael Zachcial und Ralf Siebenand mit ihrem Lied-Kabarett begeben. Doch ganz so bierernst, wie sich dieses Vorhaben anhören mag, war es dann doch nicht: Das Programm bot so viel Abwechslung, daß eine strikte Einordnung in nur eine klassische Kleinkunstsparte der. Darbietung nicht gerecht werden würde, „Zaches & Zinnober“ hatten mehr drauf, als nur melancholische Lieder zum Nachdenken oder lediglich zwei Stunden Dauerfeuer aus der satirischen Kanone – eben von jedem etwas, was gerade den besonderen Reiz dieser Vorstellung ausmachte.
Ein roter Faden spann sich allerdings durch das gesamte Programm: das Leben. Das Leben mit all seinen Schicksalen, Irrungen und Wirrungen und kleinen Höhepunkten. So paßte das Phänomen der mütterlichen Telefonanrufe, die mit ihrer konsequenten Beharrlichkeit stets im falschen Moment eintrudeln, zur nachdenklichen Suche nach dem (gut versteckten) Sinn des Lebens. Der satirische Schlag gegen die hohe Politik („Ich gebe meine Stimme nicht ab, ich brauche meine Stimme nämlich selber“) paßte zur vieldeutigen Ballade vom (Kohl-) König, der Probleme durch Aussitzen einfach mit dem Darmsystem löst. .
Diese unterschiedlichen Themen und Darstellungsformen . charmant unter einen Hut zu kriegen, ist die Kunst eines Michael Zachcial. Ein Typ, dem der Zuhörer eigentlich nichts übelnehmen kann. Auch wenn die Technik den beiden auf der Bühne des öfteren einen Streich spielte – offen und ehrlich umschifften ,,Zaches & Zinnober“ die anfängliche Klippe zwischen Publikum und Künstler („Wir spielen immer, wenn mehr Leute als wir da sind“), kamen auf einen Nenner mit den zahlreichen Zuhörern, die sich im gut gefüllten Brinkhaus sichtlich wohlfühlten.
Michael Zachcial, der ,,Frontmann“ auf der Bühne, ist eine gelungene Mischung aus Märchenerzähler, Liedermacher und Kabarettist. Während ihm bei spritzigen Stücken die Freude am .Spiel anzumerken war, kam seine Lust am Grimassenschneiden bei lustigen Passagen ebenso zum Ausdruck, wie seine poetische Ader bei der Balladentrilogie,,Himmel, Arsch und Zwirn“.
Auch musikalisch hatten die beiden Abwechslungsreiches im Repertoire: Ralf Siebenand zeigte im Duett mit Zachcial, daß Saxophon und Akkordeon hervorragend zusammenpassen. Stimmung brachten die beiden auf jeden Fall rüber. So war es .auch kein Wunder, daß die begeisterten Hodenhagener Zuhörer ,,Zaches & Zinnober“ erst nach vier Zugaben in die kalte Nacht entließen.
Janet Niemeyer, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22. November 1994
mit freundlicher Genehmigung